
Vier Mülltonnen sind denkbar – NWZ – 27.09.2018
Entsorgung: Der Landkreis plant ein neues Abfallkonzept: Diskutiert werden Extratonnen für Müll, Bioabfall, Papier und Wertstoffe. Die Bürger werden im Oktober befragt. Von Dirk Hülser
Der Landkreis Göppingen wird wohl ein komplett neues Abfallkonzept bekommen, das zeichnete sich in der jüngsten Sitzung des Umwelt- und Verkehrsausschusses ab. Zuvor hat die Verwaltung den Kreisräten die schon seit knapp zwei Monaten bekannten Zahlen der Abfallbilanz präsentiert. Noch immer gehört der Kreis bei der Haus- und Sperrmüllmenge zu den Schlusslichtern im Land, die Biomüllsammlung mit den Beuteln funktioniert nicht, mit fünf Kilogramm pro Kopf und Jahr (2016: sechs Kilogramm) liegt der Landkreis abgeschlagen auf dem letzten Platz.
Was also tun? Die Verwaltung hatte zur Beantwortung dieser Frage einen ausgewiesenen Experten eingeladen. Dr. Klaus Gellenbeck, geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Abfall, Abwasser und Infrastrukturmanagement (Infa) sowie Lehrbeauftragter an der FH Münster, hat sich die Situation angeschaut und diverse Punkte beleuchtet – denn ein künftiges Sammel- und Gebührenkonzept soll aus einem Guss sein. Sollte der Kreistag im Frühjahr ein neues Konzept beschließen, bei dem dann auch der Hausmüll mengenabhängig abgerechnet wird, glaubt Gellenbeck: „Dann haben Sie einen wesentlich höheren Anreiz für den Bürger, 20 bis 30 Prozent Restmüllreduzierung verspreche ich Ihnen.“
Schon im Februar soll der Kreistag über ein neues Gesamtkonzept abstimmen, anschließend soll die Ausschreibung vorbereitet werden. Am 31. Dezember läuft der bisherige Sammelvertrag mit der ETG aus, er war im Juni nochmals verlängert worden. „Das ist eine Perspektive, die Abfallwirtschaft nochmal einen großen Schritt voranzubringen“, meinte Landrat Edgar Wolff. Zweifel am Tempo äußerte CDU-Fraktionschef Wolfgang Rapp: „Der Zeitplan ist sehr sportlich und ambitioniert – aber ich weiß, daran sind wir mit schuld.“
Ganz anders klang Martina Zeller-Mühleis von den Grünen: „Ich finde den Zeitplan nicht ehrgeizig, sondern sehr gut, weil wir uns dann nicht wieder über Jahre verzetteln.“ Und Werner Stöckle (Freie Wähler) bekam gar „richtig Lust drauf, mich mit dem Thema zu befassen“. Im Namen seiner Fraktion verkündete er: „Wir freuen uns drauf!“
Der Leiter des Abfallwirtschaftsbetriebs (AWB), Dirk Hausmann, erläuterte den Kreisräten den Hintergrund der Offensive: Es könne nicht mehr nur darum gehen, ob es künftig Biobeutel oder -tonne gibt oder große oder kleine Mülltonnen. „Wenn, dann machen wir jetzt alles aus einer Hand.“
Restmüll: Relativ klar war bereits am Dienstag, dass es für den Restmüll eine „lineare Leistungsgebühr geben soll. Entweder wird dann pro Leerung bezahlt oder der Restmüll wird gewogen – wobei Gellenbeck sich für die erste Option aussprach.
Mülltonnen: Womöglich wird der AWB dann die Tonnen zur Verfügung stellen müssen, die Kreisbewohner müssten sie dann nicht mehr selbst anschaffen. Bei einer linearen Gebühr könnten die großen Behälter erhalten bleiben und zusätzlich kleinere 60-Liter-Tonnen zur Verfügung gestellt werden.
Biomüll: Eine Diskussion entspann sich um die Frage, warum Biomüll nicht Küchenabfall heißt, schließlich sei Grünschnitt auch Biomüll. Es bleibt zwar beim etablierten Begriff Biomüll, doch soll dieser nun „in Zusammenhang mit den Erfassungssystemen für Gartenabfälle betrachtet werden“. Eine gewisse Tendenz in Richtung Biotonne war in der Debatte bereits erkennbar, nachdem der Biobeutel von der Bevölkerung nicht angenommen wird.
Abholung: Bei den Holsystemen für Sperrmüll, Altholz, Elektroschrott, Altpapier und Grünabfälle wird über „zukunftsweisende Änderungen“ nachgedacht.
Container: Auch bei Altglas, Dosen und Kunststoffverpackungen wird neu gedacht: Soll es weiterhin Container geben? Und gelbe Säcke? Oder wird künftig alles gemeinsam in eine Wertstofftonne wandern, die das neue Verpackungsgesetz ab 2019 ermöglicht. In diesen Tonnen könnten dann neben Verpackungen auch Töpfe, Kleiderbügel oder Spielsachen landen.
Im Oktober und November wird der Ausschuss das Thema weiter beraten, im Oktober sollen die Bürger befragt werden (siehe Infobox). Im Februar soll dann das Gesamtkonzept vom Kreistag beschlossen werden. Womöglich, diesen Ausblick gab Gellenbeck schon mal, stehen dann künftig vier Tonnen vor jedem Haus: Restmüll, Papier, Biomüll und Wertstoffe. „In anderen Kreisen funktioniert das auch“, beruhigte der Experte die Kreisräte schon mal prophylaktisch.