
Turbulente Diskussionen über Müllverbrennung
Präsentation der BI Göppingen als PDF
Die NWZ berichtet:
Rund 200 Zuhörer kommen zum Infoabend zur Zukunft der Müllverbrennung. Arbeitsgruppen sollen die Thematik vertiefen.
Viel Sitzfleisch war gefragt beim Informationsabend zum Müllheizkraftwerk. Rund 200 Zuhörer waren am Donnerstag ins Göppinger Sparkassenforum gekommen, um sich die Argumente für und gegen eine Erhöhung der Durchsatzmenge des Meilers anzuhören und mitzudiskutieren. Etwa zwei Drittel der Besucher dürften dem Applaus nach zu urteilen Gegner der geplanten Vertragsanpassung gewesen sein – und sie machten regen Gebrauch von ihrem Recht, Fragen zu stellen. Das brachte den Zeitplan schon zu Beginn gehörig durcheinander.
Der ursprüngliche Plan, einen neuen Vertrag mit dem Betreiber EEW zu schließen, ohne die Öffentlichkeit vorher zu informieren und einzubinden, sei ein Fehler gewesen, räumte Landrat Edgar Wolff ein. „Das konnte nicht einfach in einer öffentlichen Sitzung entschieden werden.“ Deshalb nun der Infoabend und später die Arbeitsgruppen mit interessierten Bürgern: „Auf entsprechend deutliche Kritik haben wir reagiert und den Bürgerinformationsprozess begonnen.“
Auf dem Podium erläuterten fünf Sprecher verschiedene Aspekte der Thematik. Der Betriebsleiter des Abfallwirtschaftsbetriebs, Dirk Hausmann, berichtete über die Geschichte des Müllheizkraftwerks (MHKW), die Situation im Land sowie den Vertrag mit EEW und die vorgesehenen Änderungen. EEW-Geschäftsführer Morten Holpert erklärte, was sein Unternehmen in Göppingen investiere und welche Bedeutung die Vertragsanpassung habe. Ob schwefelarmes Heizöl zum Zufeuern verwendet werde, wollte ein Zuhörer wissen – da musste Holpert passen.
Umweltberater Ingo Willenbockel hat im Auftrag des Landkreises die Gutachten zur Luft- und Bodenbelastung überprüft. Er kam zu dem Schluss: Bei den Umweltgiften in der Abluft der Anlage sei „die Irrelevanzschwelle deutlich unterschritten“. Bei den vorgefundenen erhöhten Dioxinwerten an einigen Bodenmessstellen sei „kein erkennbarer Zusammenhang mit dem aktuellen MHKW-Betrieb“ festzustellen.
Als Vertreter der Kritiker saßen der Göppinger OB Guido Till und Michael Jaumann von der Bürgerinitiative Müllkonzept Göppingen auf dem Podium. Till verwies darauf, dass die bisherige Verbrennungskapazität für Stadt und Kreis Göppingen „bei weitem“ ausreiche. Über den Besitzer von EEW, einen chinesischen Staatskonzern, sagte Till, eine Zeitung zitierend: „Der Investor setzt auf den Müllimport nach Deutschland.“ Für den OB war klar: „Jede zusätzliche verbrannte Tonne Müll erhöht die Emissionen des MHKW.“ Der Göppinger Gemeinderat hat sich einstimmig gegen die Erhöhung der Kapazität ausgesprochen.
Michael Jaumann warf anschließend Landrat Wolff vor, er „verhindert eine ergebnisoffene Diskussion“. Dem Regierungspräsdium unterstellte der BI-Sprecher, die Behörde „vertuscht“ und „missachtet Gesetze“. Auch die Fragen aus dem Publikum wurden nahezu ausschließlich von Kritikern gestellt. So wollte ein Mann wissen, ob in den neuen Vertrag mit EEW hineingeschrieben werde, dass die zusätzliche Menge aus dem Kreis Göppingen stammen müssen. Geschäftsführer Holpert verwies darauf, dass die Müllmengen aus dem Landkreis schon jetzt bei weitem nicht ausreichten, den Ofen zu füllen. Moderator Helmut Bauer vom Umweltforschungsinstitut Tübingen erläuterte: „Das Ziel ist es doch, im Kreis weniger Müll zu produzieren.“
Auch die Gemeinde Eschenbach hat sich gegen die Pläne des Landkreises und von EEW gestellt. Bürgermeister Thomas Schubert räumte zwar ein, dass es keinen nachweisbaren Zusammenhang zwischen den Abgasen des Müllofens und Krebserkrankungen in seinem Dorf gebe. „Aber der Bürger kann nichts dagegen unternehmen, was hier auf ihn herabrieselt.“
Teils laut und turbulent ging der Abend weiter, Bauer hatte manches Mal seine liebe Mühe, für Mäßigung zu sorgen. Doch um 22.30 Uhr ging die Runde nach dreieinhalb Stunden auseinander – weiterdiskutiert wird nun in Arbeitsgruppen, Ergebnisse sollen im Sommer vorliegen.