
Kreisverwaltung ahnte Brisanz um das Thema Müllofen
Eine nichtöffentliche Sitzungsvorlage belegt: Die Kreisverwaltung war sich schon 2016 bewusst, dass die Kapazitätserhöhung des Müllofens von höchster Brisanz ist.
Erst in letzter Minute hat die Kreisverwaltung beim Thema Kapazitätsausweitung des Müllofens einen Prozess zur Bürgerinformation eingeleitet. Eigentlich hätte die Erweiterung von jährlich 157.000 auf 180.000 Tonnen geräuschlos auf der Kreistagssitzung am 26. Juli beschlossen werden sollen. Kurzfristig wurde die Abstimmung verschoben, nachdem die Pläne in der Öffentlichkeit bekannt geworden waren.
Im Interview mit unserer Redaktion – Wolff beantwortete die Fragen schriftlich – betonte der Landrat Anfang August: „Was wir dabei in dieser Form und Deutlichkeit nicht erwartet hatten, war das Interesse der Bevölkerung an diesem Thema und die vielfach geäußerte Kritik.“ Er räumte ein: „Rückblickend wissen wir, dass wir das falsch eingeschätzt haben. Mit dem jetzt eingeleiteten Bürgerinformationsprozess korrigieren wir das.“
Eine jetzt aufgetauchte Sitzungsvorlage, die unserer Redaktion vorliegt, legt den Verdacht nahe, dass die Kreisverwaltung und Wolff sehr wohl wussten, dass das Thema in der Öffentlichkeit für Aufregung sorgen würde. In dem Papier zur nichtöffentlichen Sitzung des Kreistags schrieb der Chef des kreiseigenen Abfallwirtschaftsbetriebs, Dirk Hausmann, bereits im Oktober 2016: „Erhöhungen der Durchsatzmenge stellen ein kreispolitisch hochsensibles Thema dar, zumal angesichts der jetzigen Eigentümerstruktur der EEW.“ Bei EEW handelt es sich um den Betreiber des Müllheizkraftwerks, der 2016 von einem chinesischen Staatskonzern aufgekauft worden war. Auf der Kreistagssitzung am 14. Oktober hatte der Kreistag die Verwaltung ermächtigt, Verhandlungen mit EEW wegen des neuen Vertrags und der Erhöhung des Durchsatzes aufzunehmen.
Weiter steht in der Verwaltungsvorlage: „Schon Gerüchte sind hier in der Lage, eine (medienwirksame) Diskussion zu entfachen.“ Falls EEW die Ausweitung der Verbrennungskapazitäten beim Regierungspräsidium Stuttgart beantrage, könne dies womöglich auch ohne Beteiligung der Öffentlichkeit geschehen. So konnten die Kreisräte folgendes lesen: „Noch nicht entschieden ist die Art des immissionsrechtlichen Verfahrens, insbesondere, ob eine Öffentlichkeitsbeteiligung verfahrensrechtlich notwendig wird.“
Landrat Wolff nahm am Montag Stellung zur Diskrepanz zwischen Vorlage und Interview. „Ich hatte diese Aussage nicht mehr im Kopf“, meinte er und ergänzte: „Ich habe sie nicht verschwiegen.“ Denn: „Wir haben gesagt, wir machen ein Gesamtpaket, das wir dann im Kreistag öffentlich machen.“ Wolff verweist darauf, dass es 2006, als es um die Erhöhung der Kapazität von 140.000 auf 156.000 Tonnen ging, auch keine ausführliche Bürgerinformation gab.
Er räumte auch ein: „Die Aussage im Interview war nicht glücklich. Die Brisanz ist uns bekannt.“ Doch nun sei reagiert worden „und wir machen diese Bürgerbeteiligung“. Auch er selbst will mehr Klarheit: „Ich will jetzt auch die Infos haben, um zu überprüfen, ob ich bei meinem Standpunkt bleibe. Wenn der Kreistag dann anders entscheidet, geht die Welt auch nicht unter.“
Aus der Vorlage geht auch hervor, dass EEW zuerst angegeben habe, das Stuttgarter Umweltministerium habe gefragt, ob in Göppingen mehr Müll verbrannt werden könne. Das hat offenbar nicht gestimmt: Eine Nachfrage beim Ministerium, schreibt Hausmann, habe ergeben, dass „der Vorstoß jedoch vonseiten des Betreibers ausging“.