
EVF am Müllofen interessiert
Abfallpolitik Nach der Forderung der Freien Wähler Göppingen, die Anlage von der EVF betreiben zu lassen, zeigt sich deren Chef Martin Bernhart aufgeschlossen. Von Dirk Hülser, NWZ, 23.08.2018
Kommt es womöglich gar nicht zu einer Vertragsverlängerung mit dem chinesischen Betreiber des Göppinger Müllheizkraftwerks (MHKW), der EEW? Geht es nach den Freien Wählern Göppingen (FWG), ist dieses Szenario realistisch. Sie fordern, die Anlage wieder ins Eigentum des Landkreises zu überführen und von der Energieversorgung Filstal (EVF) betreiben zu lassen. Und EVF-Chef Martin Bernhart ist nicht abgeneigt. Im Gegenteil.
Im Herbst soll der Kreistag über die Vertragsverlängerung mit EEW entscheiden. Dies hätte bereits im Sommer 2017 geschehen sollen, war aber kurzfristig wegen öffentlicher Proteste verschoben worden. Im Kern geht es um eine Ausweitung der Verbrennungskapazitäten und eine Ersparnis für den Gebührenzahler. Zudem soll das vorzeitige Kündigungsrecht des Landkreises im Jahr 2025 auf 2030 verschoben werden. Die FWG hatten nun die Variante einer Rekommunalisierung ins Spiel gebracht – die EVF soll demnach künftig den Meiler betreiben.
Für EVF-Chef Bernhart ist ganz klar: „Grundsätzlich würden wir bei einer Rekommunalisierung immer Gewehr bei Fuß stehen.“ Noch sei sein Unternehmen – es gehört den Städten Göppingen und Geislingen – aber nicht offiziell gefragt worden. „Außerdem muss das der Aufsichtsrat entscheiden“, verdeutlicht Bernhart die Abläufe. Dass er selbst den lukrativen Müllofen gerne übernehmen würde, daraus macht der Ingenieur kein Hehl: „Da sind die betriebswirtschaftlichen Aussichten nicht schlecht.“
Bernhart wird sogar noch deutlicher: „Alle suchen immer händeringend nach neuen Geschäftsmodellen, dabei liegt’s hier vor der Tür – das Geld liegt auf der Straße.“ Zwar kennt auch der EVF-Chef die Renditen nicht, die mit dem Göppinger MHKW erzielt werden, doch wird in verschiedenen Medien immer wieder von branchenüblichen 30 Prozent und mehr berichtet. „Seien Sie sicher, da kommt eine Rendite raus“, sagt Bernhart. „Und die ist bestimmt nicht schlecht.“
Etliche Fragen sind aber zuvor zu klären. So kennt Bernhart weder die Verträge zwischen Kreis und EEW noch eventuelle Übernahmebedingungen. „Kann man’s überhaupt kaufen?“, fragt er. Klar ist, dass 1995, als die Anlage privatisiert wurde, drei Verträge geschlossen wurden: Ein Erbbaurechtsvertrag, ein Entsorgungs- und ein Personalgestellungsvertrag. Unter anderem wurde geregelt, dass der Landkreis weiterhin im Besitz des Grundstücks blieb, der damalige Käufer Veba Kraftwerke Ruhr AG bekam die eigentliche Anlage geschenkt, musste aber einen neuen Kessel bauen und Millionen investieren.
Ein Unsicherheitsfaktor wäre für Bernhart auch, dass die Verträge mit anderen Kommunen und Firmen, die Müll anliefern, ja nicht einfach auf die EVF übergehen würden. „EEW hat ja noch andere Kraftwerke – geht der Müll dann da hin?“, fragt der EVF-Chef.
Vehemente Befürworter der Privatisierung waren 1995 neben der CDU die Freien Wähler; SPD und Grüne waren dagegen. Ausgerechnet die Freien Wähler Göppingen fordern jetzt kurz und knapp: „Der Kreis übernimmt. Die EVF betreibt. Die Bürger bestimmen. Und jedem nutzt es. Wer zögert (noch)? Wir sind dafür! Es ist Zeit, nachzudenken.“ In der fünfköpfigen Gemeinderatsfraktion der FWG sitzt auch Wolfgang Berge, Ex-Geschäftsführer der EVF. Für dessen Nachfolger Bernhart ist klar: „Die Chancen überwiegen die Risiken.“