
„Chaotisches Durcheinander“ – NWZ- 09.11.2018
Kreistag: Kritik an Stellungnahme des Landrats wegen Beschlussfassung zum Müllofen-Vertrag. Aktive Bürger fordern Regierungspräsidium auf, Zeugen zu befragen. Von Dirk Hülser
Heute tritt der Kreistag zur vorletzten Sitzung in diesem Jahr zusammen. Auf der Tagesordnung stehen unter anderem die Stellungnahmen der Fraktionen zum Haushaltsentwurf 2019 und der Baubeschluss der neuen Klinik am Eichert. Doch die jüngste Sitzung am 12. Oktober ist noch längst nicht abgehakt. Das Regierungspräsidium (RP) Stuttgart prüft den Ablauf der Beschlussfassung zur Vertragsverlängerung mit dem Betreiber des Müllheizkraftwerks, EEW. Mittlerweile kursiert die vom RP angeforderte, sechsseitige Stellungnahme von Landrat Edgar Wolff. Die „Aktiven Bürger im Bürgerinformationsprozess“ und Kreisrat Christian Stähle (Linke) kritisieren den Inhalt des Papiers scharf.
Der Arzt André Bönsch schreibt in einer Pressemitteilung im Namen der Aktiven Bürger: Viele Teilnehmer an der Sitzung „reiben sich angesichts der Aussagen des Landratsamts verwundert die Augen beziehungsweise die Ohren“. Landrat Wolff hat in seiner Stellungnahme festgehalten, dass die Behandlung des Tagesordnungspunkts „zwar schwierig und umstritten war, die Sitzung aber zu jeder Zeit geordnet ablief“. Bönsch meint dazu: „Bei einer solch anders gearteten Wahrnehmung der Ereignisse liegt der Verdacht der Umdeutung der Geschehnisse nahe.“
Stähle, der neben Kreisrätin Ursula Bader (Grüne) die Untersuchung des RP angestoßen hatte, hat nun gegenüber der Aufsichtsbehörde Wolffs Stellungnahme Absatz für Absatz seziert. Er kritisiert etwa, dass Wolff schreibt, es „wurden vor Eintritt in eine angekündigte Pause seitens des Ersten Landesbeamten die beabsichtigten vertraglichen Regelungen auf zwei Powerpoint-Folien erläutert“. Stähle meint dazu: „Die Sitzung war bereits unterbrochen. Aufgrund der bereits vollzogenen Sitzungspause war es sehr laut und viele Anwesende standen schon oder liefen herum.“ Auch Bönsch schreibt, die neuen Zusagen von EEW seien vom Ersten Landesbeamten Jochen Heinz vorgetragen worden, „als ein Teil der Kreisräte bereits auf dem Weg in die Pause war. … Es gab entsprechende Versuche von Wortmeldungen und Diskussionen, ein Hin und Her der Kreisräte: ein chaotisches Durcheinander.“
Strittig ist auch, ob EEW-Chef Bernard Kemper nach seinem Kurzvortrag in der Pause Schloss Filseck verließ. Für den Landrat ist klar: „Falsch ist auch der Vorhalt von Herrn Kreisrat Stähle, der Vorsitzender Geschäftsführung der EEW sei in der Pause gegangen. Herr Kemper hat nach der Pause ebenfalls Erläuterungen gegeben und war bis zum Ende der Sitzung anwesend.“ Stähle wundert sich nun, warum der EEW-Chef dann keine Fragen mehr beantwortete: „Warum in der fortgeführten Sitzung der Eindruck erweckt wurde, dass Herr Kemper nicht mehr da war, erschließt sich mir nicht, denn dann hätte er ja meine Nachfrage bezüglich seines untergegangenen Redebeitrags in der Pause beantworten können.“
Und Bönsch fragt: „Warum gab es keine Tischvorlage für die Kreisräte bezüglich der an diesem Tag von Herrn Kemper den Kreisräten zugesagten zusätzlichen Vertragsänderungen? Diese Zusagen waren bereits seit Donnerstagvormittag dem Landrat Wolff bekannt.“ Wolff wiederum sagt, er habe bereits in seiner einleitenden Präsentation mündlich auf die Veränderungen hingewiesen. Sie betreffen den Stickoxid-Ausstoß des Müllofens und die jährliche Verbrennungsmenge.
Immer wieder wird auch die schlechte Akustik in dem schlauchförmigen Sitzungssaal auf Schloss Filseck, der als Ersatz für den abgerissenen, alten Saal des Landratsamts diente, hingewiesen. Doch Wolff verweist darauf, dass für 1500 Euro ein „professioneller Anbieter“ beauftragt worden sei, der eine Tonanlage installiert habe.
Bönsch jedenfalls glaubt nun, das RP werde „nicht umhin kommen, die bei der Sitzung des Kreistags aus diversen Kommunen anwesenden Kommunalpolitiker und Bürger als Zeugen zu befragen, gegebenenfalls auch die Kreisräte“.