
10.08.17 – Verbrennungsanlage: Auf den Heizwert kommt es an…
Warum will die EEW künftig mehr Abfall im Göppinger Müllheizkraftwerk verbrennen? Welche Argumente bringt das Unternehmen vor? Unsere Redaktion hat die Anlage besucht – und mit der Geschäftsführung gesprochen.
Im Müllheizkraftwerk (MHKW) in Göppingen werden pro Jahr knapp 160.000 Tonnen Abfall verbrannt. Dabei wird sowohl Fernwärme, als auch Strom erzeugt. Künftig sollen bis zu 180.000 Tonnen Müll in Göppingen verbrannt werden – im Durchschnitt 10.000 Tonnen mehr pro Jahr, weil der Ofen während Revisionen abgeschaltet wird. Der Wunsch des Kraftwerk-Betreibers EEW, der seit 2016 zur chinesischen Holding Bejing Enterprises gehört, nach einer Erhöhung der jährlichen Durchsatzmenge hat eine kontroverse Debatte ausgelöst. Am 13. Oktober soll der Kreistag – nach Abschluss eines Bürgerinformationsprozesses – entscheiden. Die Verantwortlichen der EEW haben gegenüber unserer Zeitung ihre Argumente vorgestellt.
Höhere Durchsatzmenge: Diese soll erhöht werden, „weil es der Markt hergibt und es technisch möglich ist“, betont EEW-Sprecher Ronald Philipp. Mülltrennung und stoffliche Verwertung führten dazu, „dass der Heizwert des Abfalls sinkt“. Je geringer aber der Heizwert des Abfalls sei, desto mehr Abfall könne thermisch verwertet werden. Philipp benutzt einen Vergleich, um das zu erklären: „Wäre unser Abfall ein Treibstoff, müssten wir heute aufgrund des geringen Energiegehalts unseres Kraftstoffs mehr tanken, um die gleiche Strecke zurückzulegen.“ Die Anlage in Göppingen sei eine von sechs in Baden-Württemberg und damit „eine tragende Säule für die Entsorgungssicherheit“. Noch immer exportiere Baden-Württemberg – entgegen anderer politischer Zielsetzungen – Abfälle, zum Beispiel in die Schweiz. EEW-Sprecher Philipp: „Insgesamt rund 300.000 Tonnen pro Jahr gehen an Anlagen jenseits der Landesgrenzen.“ Zudem gebe es auch den Bedarf an mehr Müllverbrennung. „Wir haben Anfragen von Gewerbetreibenden aus der Region“, sagt Morten Holpert, EEW-Geschäftsführer für den Standort Göppingen.
Welcher Müll wird verbrannt: „Alles, was wir hier verbrennen, kommt aus Baden-Württemberg“, erklärt Axel Köhler, ebenfalls EEW-Geschäftsführer, zuständig für alle Unternehmensstandorte in Süddeutschland. Die angelieferte Müllmenge setze sich aus Hausmüll und Gewerbeabfällen zusammen. Dass die Lastwagen zum Teil ausländische Kennzeichen hätten, liege daran, dass viele Unternehmen ausländische Speditionen beauftragen, auch wenn es um einen Abfalltransport von Heilbronn nach Göppingen gehe. „Sondermüll wird bei uns nicht verbrannt“, stellt Köhler klar. Das MHKW in Göppingen dürfe keine gefährliche Abfälle verwerten. Und selbst wenn es für die Verbrennung von Sondermüll eine Genehmigung gäbe, „wären wir gegenüber dem Abfallwirtschaftsbetrieb des Landkreises verpflichtet, keinen Sondermüll zu verwerten“. So stehe es nämlich im Vertrag zwischen EEW und Landkreis. Auch Gelbe Säcke fänden definitiv nicht den Weg in die Göppinger Anlage. Auch nicht wiederverwertbare Sortierreste aus Gelben Säcke würden nicht in Göppingen verbrannt.
Revisionsintervalle: Bisher findet im Göppinger Müllheizkraftwerk alle zwölf Monate eine Revision statt. Künftig soll dies nur alle 18 Monate der Fall sein. Das werde die einzelne Revision zwar verteuern, aber die Laufzeit der Anlage könne so optimiert werden. „Wir können die Intervalle verlängern, weil wir die Anlage kennen und stetig verbessern“, sagt MHKW-Chef Holpert. Anlagen der EEW-Gruppe profitierten von den Erfahrungen aus 18 Anlagen, „von jeder Innovation, jeder technischen Neuerung“. EEW-Sprecher Philipp ergänzt: „Wie bei einem Auto ist es möglich, durch den Einsatz hochwertiger Ersatzteile und vorausschauender Fahrweise das Wartungsintervall zu vergrößern.“ Die geplante Verlängerung der Wartungsintervalle habe auch nichts mit den gesetzlichen Prüffristen zu tun. Alle fünf Jahre müsse der Müll-Bunker geleert und überprüft werden. Daran ändere sich nichts.
Gewinnmaximierung: Es sei normal, „aus einem Geschäft so viel Kapitalrendite herauszuholen, wie es geht“, sagt Geschäftsführer Axel Köhler. EEW sei ein privatwirtschaftliches Unternehmen, das auch hohe Investitionen getätigt habe. „Es hat uns aber niemand aus China angerufen, um uns zu sagen, dass wir in Göppingen mehr Geld verdienen sollen“, betont Köhler.
Umweltauswirkungen: Obwohl die EEW nicht dazu verpflichtet sei, habe das Unternehmen beim TÜV Süd ein Bodengutachten (Dioxine/Furane) und Messungen zum Feinstaubausstoß der Anlage in Auftrag gegeben – für rund 30.000 Euro, so die Verantwortlichen. „Das ist für alle hilfreich, auch mit Blick auf die Bedenken in der Öffentlichkeit“, sagt Rainer Enkelmann, der Immissionsschutzbeauftragte des Müllheizkraftwerks. Das Ergebnis des Gutachtens soll Anfang September vorliegen. Benutzt werden Messpunkte, die schon in den 1990er Jahren verwendet wurden – um vergleichen zu können. Holpert weist darauf hin, dass die Anlage in Göppingen eine der modernsten Rauchgasreinigungen habe. „Wir waren Pioniere“, sagt er. Und die genehmigten Grenzwerte für Göppingen seien schärfer als die gesetzlichen.
Rechtsstreit: Zwischen dem Landkreis und der EEW gab es unterschiedliche Auffassungen zur Auslegung des bisherigen Vertragstextes. Im Einvernehmen mit dem Landkreis habe man eine Lösung auf dem Rechtsweg angestrebt, sagt EEW-Sprecher Philipp. Daraufhin habe der Landkreis mit Zustimmung des Kreistags die Zahlungen an die EEW gekürzt, wogegen sich das Unternehmen mit einer Klage vor dem Landgericht Ulm gewehrt habe. Nun liege ein Vergleichsvorschlag vor – in Form des Änderungsvertrags, dem der Kreistag am 13. Oktober zustimmen soll und der die Erhöhung der jährlichen Durchsatzmenge beinhaltet.
Ausblick: Sollte der Kreistag gegen eine Erhöhung der Verbrennungskapazität stimmen, will EEW das Votum „selbstverständlich akzeptieren“. Um „beiderseitig Rechtssicherheit“ herzustellen, werde das Gericht das pausierende Verfahren aber fortführen „und zu den bestehenden unterschiedlichen Interpretationen des Vertrags ein Urteil fällen“, kündigt EEW-Sprecher Philipp an. Falls der Kreistag dem Verhandlungsergebnis zustimmt, würde als nächster Schritt das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren beim Regierungspräsidium folgen – einschließlich Umweltverträglichkeitsprüfung, Immisionsprognose und Verfahrensbeschreibung.
Strom und Fernwärme
Im Göppinger Müllheizkraftwerk werden pro Jahr 90.000 Megawattstunden Strom produziert. Außerdem wird Fernwärme erzeugt. Hier liegt die Jahresleistung bei 49.000 Megawattstunden. Beliefert werden in Göppingen die Bereitschaftspolizei, die Klinik am Eichert inklusive Personalwohnheim und Kindertagesstätte sowie die Bergfeldsiedlung. Der Ölbedarf im Müllofen beträgt rund 750.000 Liter pro Jahr. Eingesetzt wird das Heizöl hauptsächlich für An- und Abfahrprozesse der Kesselanlage sowie für den Betrieb des Hilfskessels zur Weiterversorgung der Fernwärmekunden – zum Beispiel bei Revisionen. In seltenen Fällen sichert das Öl die Mindestverbrennungstemperatur von 850 Grad – zum Beispiel wenn der Müll extrem nass ist. Bei stabiler Volllast erreicht das Müllfeuer ohne „Beihilfe“ etwa 1000 bis 1300 Grad.